Großflächigkeit des Einzelhandels

Großflächigkeit des Einzelhandels

Das Merkmal der Großflächigkeit kennzeichnet eine Schwelle, von der ab Einzelhandelsbetriebe nach Maßgabe des § 11 (3) BauNVO (Baunutzungsverordnung) nur noch in einem Kerngebiet i.S.v § 7 BauNVO oder in einem Sondergebiet für Einzelhandel i.S.v. § 11 BauNVO zulässig sind.

Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 1987 beginnt die Großflächigkeit dort, wo üblicherweise die Größe von der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetrieben ihre Obergrenze findet (BVerwG Urt. v. 22.05.1987, 4 C 19.85). Seit 2005 geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Großflächigkeit ab einer Verkaufsfläche von 800 m² beginnt (BVerwG Urt. v. 24.11.2005, 4 C 10.04).

Dabei ist grundsätzlich die Verkaufsfläche jedes einzelnen Betriebs zu betrachten. Eine Zusammenrechnung von Verkaufsflächen mehrerer Betriebe findet auf der Ebene des Bauplanungsrechts – und damit im Baugenehmigungsverfahren – nur ausnahmsweise statt, wenn ein Fall der sog. Funktionseinheit vorliegt: Selbstständige Einzelhandelsbetriebe können danach einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO bilden, wenn sie innerhalb eines Gebäudes liegen, die Gesamtfläche durch einen Einzelhandelsbetrieb als Hauptbetrieb geprägt wird und auf den baulich abgetrennten Flächen zu dessen Warenangebot als Nebenleistung ein Warenangebot hinzutritt, welches in einem inneren Zusammenhang mit der Hauptleistung steht, diese jedoch nur abrundet und von untergeordneter Bedeutung bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2005, 4 C 14.04). Voraussetzung für das Vorliegen einer Funktionseinheit ist dabei im Regelfall, dass die einzelnen Betriebe unter baulichen und betrieblich-funktionellen Gesichtspunkten als Einheit zu betrachten sind. Kann einer der betreffenden Betriebe unabhängig betrieben werden, ist eine Addition folglich i.d.R. ausgeschlossen. Die Verkaufsfläche von Läden untergeordneter Bedeutung (z.B. Back-Shop, Zeitschriften, Lotto/Toto etc.) werden dann der Fläche eines Hauptbetriebs (z.B. SB-Warenhaus) zugerechnet, wenn diese in einem Gebäude untergebracht sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2005, 4 C 14/04). Anders kann dies im Einzelfall auf der Ebene der Raumordnung sein (Agglomeration und Großflächigkeit).

»Großflächiger Einzelhandel« i.S.v. § 11 Abs. 3, Satz 1 Nr. 2 BauNVO und »Einkaufszentrum« im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO sind zu unterscheiden. Mit dem Begriff des Einkaufszentrums wird hier auf eine Agglomeration mehrerer selbständiger Einzelhandelsbetriebe abgestellt. Nach der Rechtsprechung liegt ein solches vor, wenn Einzelhandelsbetriebe verschiedener Art und Größe räumlich konzentriert sind und die einzelnen Betriebe aus Sicht der Kunden als aufeinander bezogen sind und durch ein räumliches Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten (vgl. BVerwG v. 12.07.2007, 4 B 29.07). Ein Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO muss dabei nicht von vorneherein einheitlich geplant sein, sondern kann sich auch sukzessive entwickeln. Dies ist insbesondere der Fall, wenn verschiedene Betriebe von demselben Bauherrn einheitlich geplant, finanziert und verwirklicht werden und eine gemeinsame Zufahrt und einen Parkplatz aufweisen und ohne Einhaltung von Abständen aneinander gebaut werden, so dass sie sich aus Kundensicht als ein zusammengehöriges Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO anstelle einer lediglich zufälligen Ansammlung von Einzelbetrieben darstellen (OVG  Koblenz, Urt. v. 03.11.2011 – 1 A 10270/11). Es besteht in der Rechtsprechung und Fachwelt bislang jedoch kein Konsens darüber, ab welcher Anzahl von Betrieben bzw. ab welcher  Summe an Verkaufsflächen von einem Einkaufszentrum auszugehen ist. In der Handelspraxis wird Einkaufszentrum nicht immer in dem  beschriebenen juristischen Sinn verstanden.

Im engen Zusammenhang mit der Großflächigkeit steht die ebenfalls in § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO normierte Vermutungsregel. Danach sind nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder die städtebauliche Entwicklung und Ordnung in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche des großflächigen Einzelhandelsbetriebs 1.200 m² überschreitet. Diese Vermutung kann im Einzelfall widerlegt werden (widerlegbare Regelvermutung).

Quelle

Definitionen zur Einzelhandelsanalyse © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V., 01. Februar 2014, Kuschnerus, Ulrich: Der standortgerechte Einzelhandel. Bonn 2007, S. 46ff., Uechtritz, Michael: Agglomerationsregelungen in der Regionalplanung zur Steuerung des Einzelhandels, VBIBW Heft 5/2010.