Einzelhandelszentralität einer Kommune

Einzelhandelszentralität einer Kommune

Mit der Einzelhandelszentralität einer Kommune wird die Bedeutung einer Kommune für die Versorgung des Umlandes mit Waren des Einzelhandels angesprochen. Mittelzentren oder Oberzentren weisen oft eine erhebliche Anziehungskraft auf ihr Umland auf.

Empirisch wird die Einzelhandelszentralität (auch Kennziffer der Einzelhandelszentralität oder Zentralitätsfaktor) einer Stadt oder sonstigen Gebiets- bzw. Verwaltungseinheit anhand des Verhältnisses aus ihrem Einzelhandelsumsatz zur vor Ort vorhandenen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft ermittelt (auch Umsatz-Kaufkraft-Relation). Werte über 100 % weisen auf einen Kaufkraftzufluss, Werte unter 100 % auf einen Kaufkraftabfluss hin. Bei einem Kaufkraftzufluss werden die Bewohner des Umlandes stärker zum Einkauf in dem Einzelhandel der betreffenden Kommune bewegt als umgekehrt die Bevölkerung dieser Kommune ihre Kaufkraft nach außen trägt. Die Einzelhandelszentralität einer Gebietseinheit bzw. Kommune kann für den Einzelhandel insgesamt oder auch für einzelne Branchen bzw. Sortimente ermittelt werden. Zentralitätskennziffern werden üblicherweise im Rahmen von Einzelhandelsstrukturanalysen oder anderen Einzelhandelsgutachten errechnet. Die empirisch ermittelte Einzelhandelszentralität einer Kommune muss dabei nicht mit der landesplanerisch festgelegten Versorgungsfunktion übereinstimmen.

Grundsätzlich gilt die so ermittelte Einzelhandelszentralität als Indikator für die Anziehungskraft bzw. die Attraktivität des Einzelhandels einer Kommune. Allerdings sollte bezüglich der Aussagekraft der Kennzahl Folgendes beachtet werden:

Im Regelfall unterscheidet sich die Zentralität einer Kommune in verschiedenen Branchen zum Teil erheblich: Während beispielsweise Lebensmittel flächendeckend erhältlich sind und die diesbezügliche Zentralität auch eines Oberzentrums nur gering über 100% liegen dürfte, sind insbesondere Waren des langfristigen Bedarfs (z.B. Möbel, Elektrowaren) oder hochwertige Waren (z.B. Luxusmarken) oft nur dort erhältlich, so dass i. d. R. hier dann hohe Zentralitätswerte erreicht werden können.
Einzelne Großbetriebe wie etwa ein überregional bedeutsames Möbel- und Einrichtungshaus können in einer Kleinstadt zu einer sehr hohen Einzelhandelszentralität führen, obwohl möglicherweise in vielen anderen Sortimentsbereichen Kaufkraftabflüsse zu verzeichnen  sind.
Auch etwaige rein administrativ herbeigeführte Veränderungen bei den Einwohnerzahlen, wie sie sich aus Eingemeindungen ergeben, wirken sich auf die Zentralitätskennziffer aus, ohne dass sich an der Attraktivität oder Anziehungskraft des Einzelhandelsstandortes faktisch etwas ändert.
Sinkende Einwohnerzahlen können in Verbindung mit einer damit einhergehenden sinkenden Kaufkraft zu einer Erhöhung der Einzelhandelszentralität beitragen, ohne dass sich im Einzelhandelsbesatz einer Kommune nennenswerte Veränderungen ergeben haben müssen.
Auch die spezifische geografische Lage einer Kommune spielt ein wichtige Rolle; so können kleinere Städte mit einem verhältnismäßig durchschnittlichen Einzelhandelsangebot mangels Versorgungsalternativen für die umliegende Bevölkerung hohe Zentralitätswerte  erreichen, während attraktive Handelsstandorte im Verdichtungsraum wegen der angespannten regionalen Wettbewerbssituation niedrige Werte aufweisen können. Weiterhin sind Sondereffekte (z.B. Grenzlage, FOC-Standorte, Tourismus) zu berücksichtigen.

Von der durch empirische Erhebungen des lokalen Einzelhandelsumsatzes und der vorhandenen Kaufkraft ermittelten Einzelhandelszentralität ist der von verschiedenen Institutionen veröffentlichte Zentralitäts-Index zu unterscheiden, der als Quotient des aus der Amtlichen Statistik (vor allem der Umsatzsteuerstatistik) ermittelten Umsatzindexes und des Kaufkraftindexes errechnet wird. Hierbei ergeben sich einige methodische Besonderheiten, die bei der Interpretation beachtet werden sollten. Zum einen weist die Umsatzsteuerstatistik nicht immer den Ort aus, an dem der ausgewiesene Umsatz erzielt wurde, da etwa Filialbetriebe am jeweiligen Sitz der Zentrale steuerlich erfasst werden. Zwar können hier durch die Auswertung von Filial-Listen entsprechende Korrekturen vorgenommen werden, letztlich bleibt jedoch eine mehr oder weniger große Unschärfe, da Umsätze auf Filialebene von den Unternehmen i.d.R. nicht publiziert werden. Darüber hinaus beinhaltet diese Kennziffer die methodische Schwäche, dass in Einzelfällen trotz saldierten Kaufkraftabflüssen Index-Werte von über 100 ermittelt werden. Dies hängt damit zusammen, dass die herangezogenen Indizes jeweils auf den Bundesdurchschnitt bezogen sind. Da aber aufgrund von grenzüberschreitenden Kaufkraftströmen der Umsatz in Deutschland nicht der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft entspricht, errechnet sich auf Bundesebene eine faktische Zentralität kleiner 100, die jedoch für die Indexberechnung gleich 100 gesetzt wird. Insofern fallen die auf dieser Basis für Kommunen errechneten Zentralitäts-Indizes tendenziell zu hoch aus.

Quelle

Definitionen zur Einzelhandelsanalyse © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V., 01. Februar 2014