Agglomerationseffekte

Agglomerationseffekte

Der Erfolg eines Handelsbetriebes kann auch davon abhängig sein, welche anderen Betriebe sich in derselben oder einer benachbarten Standortlage befinden. Das gilt für Betriebe in Innenstädten oder Vorortlagen, aber auch für Betriebe in Shopping-Centern oder in Standortgemeinschaften (Agglomerationen). Die Wirkungen, die von benachbarten Betrieben auf den Erfolg eines Handelsbetriebes ausgehen, können positiver oder negativer Art sein, was auch davon abhängt, ob es Betriebe mit einem weitgehend gleichen oder einem ergänzenden Angebot sind.

Agglomerationseffekte können für den Einzelbetrieb umsatzförderlich sein, d.h. der Umsatz in einer solchen Standortgemeinschaft ist höher als bei einem Solitärstandort, wenn die Nachfrager auf eine große Auswahl Wert legen und sich vor einem Kauf in mehreren Geschäften orientieren möchten (z.B. mehrere Schuhgeschäfte, mehrere Möbelgeschäfte, mehrere Schmuckgeschäfte in einer Standortlage). Agglomerationseffekte wirken ggf. auch kostenreduzierend, d.h. zum Erreichen desselben Umsatzes sind in einer solchen Standortgemeinschaft gegenüber einem Solitärstandort in identischer Lage z.B. geringere Marketingaufwendungen erforderlich.

Positive Agglomerationseffekte können auch von Betrieben ausgehen, die anderen Branchen angehören (z.B. Schuhgeschäfte können von Textilgeschäften profitieren), wenn es sich um ergänzende Angebote handelt.

Während bei Betrieben aus unterschiedlichen Branchen ergänzende Effekte vermutet werden können, ist es bei Betrieben aus der gleichen Branche schwieriger zu erkennen, ob durch die Ballung der Geschäfte die Anziehungskraft der gesamten Standortlage so gestärkt wird, dass sich auch für den einzelnen Betrieb Umsatzvorteile ergeben, oder ob durch die Konkurrenzeffekte der Umsatz gesenkt wird. Das Ausmaß der positiven oder negativen Auswirkungen, die von anderen Betrieben ausgehen, ist oft nicht leicht abzuschätzen und bedarf einer näheren Analyse des Einkaufsverhaltens von Konsumenten.

Agglomerationen finden sich in zahlreichen Varianten, was die folgenden Beispiele verdeutlichen:

Im Lebensmitteleinzelhandel hat es in den vergangenen Jahren einen Trend zu sog. »Koppelstandorten« gegeben, welche mindestens aus einem Discounter sowie einem Supermarkt oder Verbrauchermarkt bestehen und verschiedentlich durch weitere Handelsbetriebe wie Drogerie-, Textil- und Schuhmärkte ergänzt werden. So sucht z.B. Lidl gezielt mittelbare oder unmittelbare Nachbarschaftsstandorte zum Kaufland SB-Warenhaus.
Häufig ballen sich Fachgeschäften der gleichen Branche, so z.B. bei Schuhgeschäften. In der Innenstadt von Mexiko-City gibt es in der Francisco I. Madero-Straße Dutzende von Schmuckgeschäften unmittelbar nebeneinander (ähnlich wie in Basaren). In der Nähe des Münchner Hauptbahnhofes gibt es die im Volksmund als Referenz an die kalifornische Hightech- Region Silicon Valley als »Schilicon Valley« bezeichnete Schillerstraße mit unzähligen IT- und EDV-Fachgeschäften.
In Baumärkten sind im Vorkassenbereich sehr häufig Bäckereien (meist mit Kleingastronomie) angesiedelt.
Galerien und Antiquitätengeschäfte finden sich oft in benachbarter Standortlage.
Auch bei Möbelgeschäften kann zeitweilig eine Ballung von mehreren Betrieben in einer Standortlage beobachtet werden.

Stärke und Richtung der Wirkung von Agglomerationseffekten erfordern eine Analyse des Einkaufsverhaltens von Konsumenten. Kopplungskäufe treten je nach Branchenbezug in unterschiedlicher Intensität auf. So profitiert ein großdimensionierter Bau- und Heimwerkermarkt kaum von einer benachbarten Metzgerei, während dies umgekehrt durchaus der Fall sein kann. Allgemein ist davon auszugehen, dass besonders starke  Agglomerationsvorteile bzw. Synergien zwischen

Branchen derselben Bedarfsstufe, d.h. jeweils innerhalb des kurz-, mittel- oder langfristigen Bedarfs, eintreten, was auch als horizontale Kopplung bezeichnet wird,(1)
welche einen natürlichen Nachfragezusammenhang aufweisen und
sich hinsichtlich des Sortiments und der Preislage ergänzen.(2)

So verknüpft der Verbraucher z.B. den Einkauf von Bekleidung eher mit dem Einkauf von Schuhen (jeweils mittelfristiger Bedarf) als mit dem Einkauf von Möbeln oder von Baumarktartikeln (langfristiger Bedarf). Ebenso wird z.B. der Kauf von Lebensmitteln eher mit dem Kauf von Drogeriewaren verknüpft (jeweils kurzfristiger Bedarf) als mit dem Einkauf von Uhren und Schmuck (mittel- oder langfristiger Bedarf).

Bei Koppelstandorten im Lebensmitteleinzelhandel treten v.a. dann Synergien ein, wenn die Überschneidungen bei den Marken bzw. in der Preislage so gering wie möglich sind; insofern ist hier aus Händlersicht die Kombination eines Vollsortimenters (Supermarkt / Verbrauchermarkt) mit einem
Harddiscounter eine günstigere Variante als die Kombinationen Supermarkt und Verbrauchermarkt oder Harddiscounter.

Die Handelsforschung hat bereits früh versucht, diese Agglomerationseffekte und den hieraus resultierenden Mehrumsatz operationalisierbar zu machen und in den 1950er und 1960er Jahren das sog. »Agglomerationsgesetz« (»Rule of Retail Compatibility«) entwickelt.(3) Es wurde deutlich, dass
das Hinzutreten weiterer Anbieter einerseits zu Umsatzsteigerungsraten am Zuwachs des Gruppenabsatzpotentials und zu Umsatzverlustraten am bisherigen Absatzpotential eines Unternehmens führen kann, was seinerseits wieder von zahlreichen Faktoren abhängt. Insofern ist es nicht möglich zu sagen, ob eine weitere Zunahme von Anbietern bei den bisherigen Anbietern generell zu einem Umsatzanstieg oder -rückgang führt.

Quelle

Definitionen zur Einzelhandelsanalyse © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V., 01. Februar 2014, (1) BBE/IPH (Hrsg.): Fachmarktatlas 2009, Der optimale Branchenmix (Bernreuther, Angelus), S. 28, München., (2) vgl. Pfeiffer, E.: Handelsbranchen – Synergiepotenziale, in www.stalys.de, (3) Vgl. Nelson, R. L.: The Selection of Retail Locations. New York, 1958, S. 66; vgl. Behrens, K. C.: Der Standort der Handelsbetriebe. Köln & Opladen, 1965, S. 39 und S. 44