Generell wird als Kaufkraft (Kaufkraftvolumen, KKV) diejenige Geldmenge bezeichnet, die den Einwohnern einer räumlichen Einheit (z.B. Stadt oder Region) innerhalb eines bestimmten Zeitraumes für Ausgaben (z.B. für Mieten, Ausgaben im Einzelhandel, Energie, Verkehr) zur Verfügung steht; dieser Betrag entspricht dem verfügbaren Nettoeinkommen zuzüglich der Entnahmen aus Ersparnissen (einschließlich des in Geldvermögen umgewandelten Sachvermögens) und aufgenommener Kredite abzüglich der Bildung von Ersparnissen und der Tilgung von Schulden. Auf dieser Basis gründet auch die Ermittlung der bereinigten Ausgaben im Einzelhandel nach dem in Anlage 3 dargestellten einkommensbasierten Ansatz. Weiter unten wird dargestellt, dass nicht alle Anwender diese Definition zugrunde legen.
Neben dieser Definition, die auf die Verfügbarkeit von Geldmitteln für Ausgaben abstellt, findet sich noch eine zweite Bedeutung des Begriffes Kaufkraft. Hiernach wird auf die Menge an Gütern abgestellt, die mit einer Geldeinheit erworben werden kann. Die Kaufkraft des Geldes steht dabei in einem reziproken Verhältnis zu den einzelnen Preisen für Güter bzw. zum Preisindex eines mengenmäßig fixierten Warenkorbes. Sie gibt also die Menge an Gütern und Dienstleistungen an, die mit einer Geldeinheit einer bestimmten Währung gekauft werden kann. Bei steigenden Preisen verringert sich die Kaufkraft des Geldes.(1)
Einnahme- und Ausgabepositionen der Haushalte als Ausgangspunkt
Zur Erläuterung, wie Kaufkraft definiert und ermittelt werden kann, geht man zweckmäßigerweise von den Einnahme- und Ausgabenpositionen privater Haushalte aus. Das Statistische Bundesamt (2) ermittelt zunächst die Position »Ausgabefähiges Einkommen und Einnahmen« wie folgt (zur Erläuterung der einzelnen Positionen vgl. auch den Hinweis auf SAE 98 unter »Literatur«):
Bruttoeinkommen (aus unselbständiger und selbständiger Arbeit)
+ Einnahmen aus Vermögen (darunter aus Vermietung)
+ Einkommen aus öffentl. Transferzahlungen
+ Einkommen aus nichtöffentl. Transferzahlungen u. Einnahmen aus Untervermietung (darunter Leistungen aus priv. Versicherungen),
– Einkommen-, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag – Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung
+ Zuschüsse der Arbeitgeber und der Rentenversicherungsträger zur freiw. oder priv. Krankenversicherung
= Haushaltsnettoeinkommen
+ Einnahmen aus dem Verkauf von Waren + Sonstige Einnahmen
= Ausgabefähiges Einkommen und Einnahmen.
Hinzu kommen Einnahmen aus einer Vermögensumwandlung und Krediten. Das Statistische Bundesamt weist entsprechende Werte im Durchschnitt je Haushalt und Monat in Euro aus, aber auch differenziert nach Haushaltstypen und dem Alter der Haupteinkommensperson.
Aus dem Betrag »Ausgabefähige Einkommen und Einnahmen« tätigen dann die Haushalte verschiedene Ausgaben, wobei das Statistische Bundesamt zwischen »Privaten Konsumausgaben« und »Anderen Ausgaben« unterscheidet. Bei den Privaten Konsumausgaben wird auf einer aggregierten Ebene differenziert in:
Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren,
Bekleidung und Schuhe,
Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung,
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände,
Gesundheitspflege,
Verkehr,
Nachrichtenübermittlung,
Freizeit, Unterhaltung und Kultur,
Bildungswesen,
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen,
Andere Waren und Dienstleistungen.
In die Position »Andere Ausgaben« gehen u.a. »Sonstige Steuern«, Versicherungsbeiträge und vor allem Ausgaben für die Tilgung und Verzinsung von Krediten und die Ausgaben für die Bildung von Sach- und Geldvermögen ein. Der Begriff Kaufkraft wird von dem Statistischen Bundesamt in dieser Aufstellung zu den Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte nicht verwendet, die Aufstellung ist aber Ausgangspunkt für eine Definition von »Kaufkraft«, »einzelhandelsrelevante Kaufkraft« und »sortimentsbezogene Kaufkraft« (nähere Angaben zu den letzten beiden Begriffen finden sich unter Kaufkraft, einzelhandelsrelevante und Kaufkraft, sortimentsbezogene).
Varianten des Begriffs Kaufkraft
Bei der ersten Variante werden entsprechend der im ersten Abschnitt dargestellten Liste von Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte von dem Haushaltsnettoeinkommen, das um die Position Vermögensumwandlung/Kredite ergänzt wird, Beträge für die Tilgung und Verzinsung von Krediten sowie für die Bildung von Sachvermögen und Geldvermögen (Sparen) abgezogen. Die verbleibenden Einnahmen können für Ausgaben in den genannten Bereichen verwendet werden (z.B. für »Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren« oder »Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung«).
Bei einer zweiten Variante wird die Kaufkraft mit dem Haushaltsnettoeinkommen gleich gesetzt. Das ist die von vielen Instituten bevorzugte Vorgehensweise. Die übrigen unter Nr. 1 angeführten Ein- und Auszahlungen werden dabei nicht berücksichtigt. Teilweise wird auch von der »privaten Kaufkraft« gesprochen.
Stellenweise wird Kaufkraft auch mit dem »verfügbaren Einkommen« gleich gesetzt. Unter Kaufkraft wird hierbei nur das verstanden, was nach Abzug von obligatorischen Auszahlungen (z.B. Miete) vom Haushaltsnettoeinkommen für frei disponierbare Ausgaben zur Verfügung bleibt. Teilweise wird hierbei von der »realen Kaufkraft« (im Gegensatz zu der »privaten Kaufkraft« gesprochen.(6)z.B. Bei einer solchen Verwendung des Begriffes Kaufkraft als »disponible« Kaufkraft muss deutlich werden, welche Ausgaben (z.B. Tilgung und Verzinsung von Krediten, Mieten) bereits in Abzug gebracht worden sind.
Angaben zur Kaufkraft werden von der Amtlichen Statistik und von verschiedenen Marktforschungsinstituten zur Verfügung gestellt (z.B. Acxiom, BBE München, MB-Research, GfK- Geomarketing, infas-Geodaten, IfH Retail Consultants); teilweise übernehmen die Anbieter Daten von anderen Instituten und bereiten sie projektbezogen auf. Da Kaufkraft unterschiedlich definiert werden kann, ist es wichtig sich zu informieren, von welcher Definition die einzelnen Institute ausgehen, wenn sie Kaufkraftdaten ausweisen. Grundsätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten für eine Definition des Begriffes »Kaufkraft«, so insbesondere die folgenden:
Darstellung von Kaufkraftdaten
Die nach einem dieser Verfahren ermittelte Kaufkraft kann in unterschiedlicher Weise dargestellt werden, so als Geldbetrag,
über den die gesamte Wohnbevölkerung in Deutschland innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (z.B. monatlich, jährlich) disponiert (in Mio. Euro),
über den durchschnittlich ein Haushalt verfügen kann (in Euro),
den durchschnittlich eine Person verausgaben kann (in Euro).
Wenn die Angaben regional differenziert werden, sind des Weiteren für die Kaufkraft insgesamt, die Kaufkraft pro Person oder die Kaufkraft pro Haushalt folgende Angaben möglich (Auswahl):
Mit Kaufkraftanteilen eines Gebietes (z.B. Bundesland, Stadt-Land-Kreis, Gemeinde, Nielsen- Gebiet, Postleitzahlengebiet, mikrogeographische Region) kann dargestellt werden, wie viel Promille der gesamten Kaufkraft der Wohnbevölkerung eines Landes (z.B. Deutschland) auf die betrachtete geographische Einheit entfallen.
Bei dem Kaufkraftindex für ein Gebiet (synonym Kaufkraftkennziffer) (z.B. Bundesland, Stadt- Land-Kreis, Gemeinde, Nielsen-Gebiet, Postleitzahlengebiet, mikrogeographische Region) wird die in einem Teilgebiet allen Bewohnern dieses Gebietes zur Verfügung stehende Kaufkraft mit der Kaufkraft anderer Teilgebiete verglichen. Für jedes Teilgebiet wird der Anteil der in einem Teilgebiet verfügbaren Kaufkraft an der gesamten Kaufkraft zum Anteil der Einwohner dieses Gebietes an der Gesamtbevölkerung ins Verhältnis gesetzt.(3) Hat beispielsweise ein Gebiet einen Anteil von 4% an der Kaufkraft, aber nur 3% an der Bevölkerung, dann beträgt der Kaufkraftindex 4/3 mal 100 = 133,3. Mit einer solchen Darstellung wird berücksichtigt, dass sich einzelne Gebiete sowohl in der Bevölkerungszahl als auch in der Höhe der durchschnittlichen Kaufkraft unterscheiden können.
Bei dem Kaufkraftindex je Einwohner in einer bestimmten Region wird die durchschnittliche Kaufkraft einer Person in dem jeweiligen Gebiet zu der durchschnittlichen Kaufkraft der Bewohner in allen Teilgebieten in Beziehung gesetzt.(5) Ein Index von 90 sagt aus, dass die Bewohner in dem Teilgebiet über eine 10% geringere Kaufkraft verfügen, als es dem Durchschnitt entspricht.(3) Ein Kaufkraftfaktor/-index von 100 entspricht der durchschnittlichen Kaufkraft aller Personen. Entsprechende Angaben werden von mehreren Instituten angeboten (siehe beispielhaft die Karte von MB-Research unten). Der Wert entspricht dem Kaufkraftindex für ein Gebiet.
Die durchschnittliche Kaufkraft je Einwohner kann auch in der entsprechenden regionalen Differenzierung in absoluten Werten ausgedrückt werden.
Die Kaufkraftwerte können auch nach Gebietseinheiten differenziert für Haushalte ausgewiesen werden. Informationsreicher als Durchschnittswerte sind Angaben über die Zahl der Haushalte in einzelnen Einkommensklassen. So unterscheidet beispielsweise Acxiom (6) acht Einkommensklassen (unter 900EUR, 900EUR – 1300EUR, …, über 5000EUR)
Kaufkraftprognose
Bei der Kaufkraftprognose handelt es sich um die für einen bestimmten zukünftigen Zeitraum definierte Kaufkraft von Einwohnern in einem abgegrenzten räumlichen Gebiet. Dabei sind insbesondere zu erwartende Veränderungen in der Wohnbevölkerung zu unterstellen. Im Regelfall werden Prognosen auf der Basis der im Prognosezeitpunkt geltenden Preise erstellt. Auch bei den Werten, die für die laufende Periode ausgewiesen werden, kann es sich um Prognosen handeln, wenn hierfür nur auf Daten aus weiter zurück liegenden Perioden zurückgegriffen werden kann.
Definitionen zur Einzelhandelsanalyse © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V., 01. Februar 2014